Logistische Meisterleistung:
So entsteht ein ewz-Onshore-Windpark in Norwegen
So entsteht ein «ewz-Onshore-Windpark» im Überblick
Die Landschaft wirkt beinahe ausserirdisch. Sanft geschwungene, karg bewachsene Hügel, leuchtend grüne und gelbe Böden, bisweilen ins Orange oszillierend. Dazwischen unzählige kleine Seen, tiefblau und spiegelglatt. Menschenleere. Måkaknuten und der nur wenige Kilometer entfernte Landstrich Stigafjellet im Südwesten Norwegens wären perfekte Kulissen für Science-Fiction-Filme. Hier wird aktuell zwar keine imaginäre ferne Zeit auf Film gebannt – aber dennoch wird hier an der Zukunft gebaut. Mit schwerem Gerät und Präzision für einen neuen Onshore-Windpark.
Es sind tatsächlich eindrückliche Maschinen, die dafür ans Werk gehen und für Aufsehen sorgen – zwar nicht auf den fast menschenleeren Geländen der Windparks, umso mehr aber in der Hafenstadt Egersund. Hier werden in Schiffen aus aller Welt die tonnenschweren, riesigen Bestandteile der Windturbinen angeliefert, auf Spezialtransporter verladen und spektakulär an ihre Bestimmungsorte verfrachtet.
Während die Rotorblätter für Måkaknuten aus China stammen, werden jene für Stigafjellet aus Marokko hierher verschifft [mehr dazu siehe Box]. Die Gondeln, an denen die Rotoren befestigt sind und in denen die Steuerungen der Turbinen untergebracht sind, kommen hingegen aus Dänemark – einem Pionierland für Windkraftwerke.
«Zwar hatten wir wegen der Corona-Krise eine Verzögerung bei den Anlieferungen der Naben aus China», sagt Kimon Marketos, Senior Projektleiter bei ewz. «Doch die letzten Teile sind mittlerweile fertiggestellt und werden nun per Schiff an ihre Bestimmungsorte verfrachtet.»
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Neue Strassen willkommen
Damit die Schwertransporter ihre Fracht an die endgültigen Bestimmungspunkte liefern können, musste vorgängig der Weg freigemacht werden. Nach Måkaknuten wurden in den Monaten davor beispielsweise 22 Kilometer Strasse verlegt. «Der Strassenbau ist einer der grössten und zugleich unumgänglichen Eingriffe in die Natur beim Bau eines Onshore-Windparks», sagt Marketos.
Je entfernter ein Windpark sich vom bereits bestehenden Strassennetz befinde, umso wirtschaftlicher müsse er betrieben werden können. Trotz Veränderung des Landschaftsbildes durch die Strassen: Bei einem Grossteil der einheimischen Bevölkerung werde deren Bau willkommen geheissen – insbesondere bei Wanderinnen und Wanderern: Mit den Strassen wurden für sie nämlich neue Wanderregionen erschlossen; das norwegische Gesetz gebietet, dass die neuen Windparks öffentlich begehbar sein müssen.
Bezüglich der Eingriffe in die Natur gibt es ebenfalls detaillierte Auflagen, beispielsweise ob projektspezifisch an anderer Stelle Aufforstungen oder andere Kompensationsmassnahmen ergriffen werden.
Nach dem Bau der Strassen mussten weitere Grundlagen für die Windturbinen geschaffen werden: die Fundamente. In Måkaknuten und Stigafjellet herrschen felsige Böden vor. Die Betonfundamente, auf denen die Turbinen stehen, müssen deshalb nur ein bis zwei Meter dick und sechs Meter breit sein; verankert sind die Windturbinen hingegen im Boden selbst – mit 10 bis 15 Meter langen, in den Felsen getriebenen Schrauben.
Befindet sich eine Windanlage dagegen auf erdigem Boden, erhalten die Turbinen ihre Stabilität durch das Gewicht des Betonfundaments, das 3 bis 4 Meter tief ins Erdreich reicht und rund 20 Meter Durchmesser hat. «Der Bau eines Fundaments in Norwegen dauerte zwischen 6 bis 8 Wochen», sagt Marketos. Die Dauer sei unter anderem abhängig davon, wie schnell der Beton aushärte.
Komplexe Bewilligungsprozesse
Am meisten Zeit benötigen indessen nicht der Bau der Strassen und der Fundamente, sondern die Planung und die Bewilligungsprozesse davor. Die Planung beginnt mit dem Sondieren des Standorts, wobei das erste Augenmerk natürlich den Windverhältnissen gilt: Wie stark und konstant bläst der Wind? Zahlt sich die Investition wirtschaftlich aus? Wie weit weg befindet sich der Windpark zum Beispiel von der nächstgelegenen öffentlichen Strasse? Wo sind die Anschlüsse ans Stromnetz? Steht der Windpark in der Nähe eines bewohnten Gebiets?
«In einem Natura-2000-Schutzgebiet will niemand einen Windpark», sagt Marketos. Entscheidend für die Planung sind unter anderem auch die Resultate von Bodenstudien: Wie tief kann man bohren? Wie müssen die Turbinen verankert sein? «Im schlechtesten Fall streicht man eine Turbine», sagt Fachexperte Marketos.
Ist der Ort gefunden, müssen die Baubewilligungen eingeholt werden. Davor haben bereits Gespräche mit Landeigentümern stattgefunden. Der Konkurrenzdruck auf dem Windmarkt wächst: Wer die Landrechte für den Bau des Parks nicht vorgängig gesichert und Exklusivitätsvereinbarungen abgeschlossen hat, läuft Gefahr, von Konkurrenten ausgebootet zu werden.
Erst danach wird das Bewilligungsprozedere in Gang gesetzt. Bis eine Bewilligung auf dem Tisch liegt, können indessen mehrere Jahre vergehen. Unterschiedlichste Interessensgruppen haben nämlich ein Mitspracherecht: von den politischen Behörden über Umwelt-, Tier- und Landschaftsschutz-Organisationen bis hin zu betroffenen Gemeinden und Anwohner*innen. Die Erbauer*innen haben beispielsweise ausführlich zu belegen, dass die Onshore-Windparks keine Zugvogelrouten unterbrechen oder Tiere vertreiben. [Siehe auch Faktencheck Windenergie]
Umweltverträglichkeit einer Windenergieanlage
In der Planungs- und Bewilligungsphase einer neuen Anlage werden im Rahmen der Umweltverträglichkeitsstudie verschiedene Einzelstudien erstellt (die teilweise über mehrere Monate dauern). Sie erfassen die im Gebiet des zu entstehenden Windparks lebenden bzw. jagenden Tiere und schätzen dadurch den möglichen Einfluss des Windparks ein. Daraus ergeben sich Empfehlungen und Vorschriften für den Betrieb (z.B. Einschränkungen des Betriebs während gewisser Uhrzeiten und/oder Jahreszeiten) bis hin zu Bauverboten.
Für Måkaknuten und Stigafjellet musste wegen der vielen Seen auch der Gewässerschutz gewährleistet sein. Die Sicherheit des Flugverkehrs spielt ebenso eine Rolle, wie dass die Geräusche der Windparks keine Anwohner aus dem Schlaf reissen und ihnen der Schattenwurf nicht das Sonnenlicht stiehlt. Erst, wenn alle Fragen geklärt sind, kann mit dem Bau begonnen werden.
Im Fall von Måkaknuten und Stigafjellet dauerte der Bewilligungsprozess fast 12 Jahre – was einer vergleichsweise langen Zeit entspricht. «Bei anderen Windparks im Ausland geht es normalerweise deutlich schneller», sagt Marketos. Im Gegensatz zur Schweiz: Hierzulande haben sich Bewilligungsprozesse für Windkraftanlagen generell als langwierig erwiesen – neben der Strategie von ewz, dort in erneuerbare Energien zu investieren, wo sie vorkommen, ein weiterer Grund für Investitionen in Windenergie im Ausland.
Wie in Norwegen: Den Windpark Stigafjellet erwarb ewz 2018, Anfang 2019 kam Måkaknuten dazu. 2017 hatte das Zürcher Stimmvolk einen Rahmenkredit von 200 Millionen Schweizer Franken für Investitionen in erneuerbare Energien gutgeheissen. Mit diesem wurden die beiden Windparks erworben.
Während ewz den Windpark in Måkaknuten zusammen mit dem Partner Norsk Vind entstehen lässt, hat das Unternehmen in Stigafjellet mit dem schwedischen Windparkentwickler Eolus zusammengespannt. Beide Parks befinden sich jedoch zu 100 Prozent im Besitz des Zürcher Elektrizitätsunternehmens, das als Bauherrin damit das alleinige Sagen über den Bau hat. «Wir sind mindestens alle ein, zwei Monate vor Ort, um den Fortschritt zu überwachen und Mängel jetzt schon auszumerzen, die später zu Problemen führen könnten», sagt Marketos.
Die heikelste Phase
Was uns zurück zum Bau der Windparks führt, wo während des Aprils die Schwertransporter mit den Lieferungen für die Turbinen eingetroffen sind. Neben den Strassen und Fundamenten wurden mittlerweile auch die Leitungen verlegt und ein sogenanntes Umspannwerk ist entstanden. Ein Umspannwerk wandelt den dreiphasigen Strom, der von den Windturbinen kommt, in eine höhere Spannung um, damit er möglichst verlustfrei über weite Distanzen transportiert werden kann. Weil Måkaknuten und Stigafjellet nahe beieinanderliegen, teilen sie sich das gleiche Umspannwerk.
Erst als letzter Schritt werden die eigentlichen Windturbinen aufgestellt – was vergleichsweise schnell geschieht: Zwischen 5 und 10 Tagen dauert die Montage einer Windturbine. Nachdem der Turm «wie Legosteine» (Zitat: Marketos) errichtet und verschraubt und die Gondel aufgesetzt ist, folgt die heikelste Phase des Baus: das Anbringen der 63 Meter langen Rotorblätter mit einem Gesamtdurchmesser von 130 Metern.
Zu diesem Zeitpunkt sollte es möglichst windstill sein. Die mehrere Tonnen wiegenden Rotoren werden nämlich als Gesamtes mit einem Kran rund 120 Meter über Boden an die Naben geführt und daran befestigt. Ein zu starker Wind würde die Präzisionsarbeit verunmöglichen.
Strom für die Zukunft
Ist die Turbine fertig zusammengesetzt, beginnt die Testphase mit einer «kalten Inbetriebsetzung»: Die Komponenten und Einstellungen müssen geprüft und gemessen werden. Danach wird die Windturbine als «heisse Phase» in Betrieb genommen und das System nochmals ausführlich getestet. Erst bei einem reibungslosen Ergebnis können die Turbinen ans Netz angeschlossen werden.
Wenn die zwei Windparks 2020 ans europäische Stromnetz gehen, werden in Måkaknuten 22 Windturbinen im Wind drehen, Stigafjellet sorgt mit 7 Turbinen für Strom. Zusammen liefern sie eine Leistung von bis zu 125 Megawatt und damit Strom von insgesamt rund 460 Gigawattstunden pro Jahr – als umweltschonende, erneuerbare Energie, die von einer der saubersten Technologien mit Hilfe des Windes produziert wird. Keine Science-Fiction also, sondern eine echte Investition in die Zukunft.
ewz-Stromproduktion im Überblick:
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Wissenswertes zu allen ewz-Stromproduktionsanlagen finden Sie hier. In vielen Kraftwerken sind Besichtigungen möglich, so zum Beispiel bei der eigens für Familien konzipierten Wasserkraftwerks-Führung im bündnerischen Tinizong.
Bei der Onshore Windkraft handelt es sich um Windkraftanlagen, die an Land aufgestellt sind.
Wenn sich die Windkraftanlagen auf dem Wasser befinden, spricht man von Offshore Windkraft.
Der Entscheid, in welcher seiner Produktionsstätten welche Komponenten produziert werden, trifft grundsätzlich der Turbinenhersteller selbst. Sein Entscheid hängt von den vorhandenen Kapazitäten (bzw. der Kapazitätsplanung), aber sicher auch von Wirtschaftlichkeitsfaktoren ab. In allen Produktionsstätten muss allerdings die Qualität sichergestellt sein. Dies prüfen wir (über unsere technischen Experten) soweit möglich bereits vor der Akquisition der Projekte und auch während der Herstellung der Komponenten.
Die Windkraft zählt zu den nachhaltigsten Lieferanten für Strom. Das Thema ist vielfältig: Neue Technologien, kontroverse Umweltfragen, internationales Stromnetz – damit ein Windkraftwerk entsteht, müssen zahlreiche Faktoren berücksichtigt werden. Zum Artikel