Internationaler Stromhandel: Wie er funktioniert und was den Preis beeinflusst
Strom ist ein Produkt, das heute an spezialisierten Börsen für den internationalen Stromhandel gehandelt wird. Seit langem existieren hier enge Verbindungen zwischen Schweizer Marktteilnehmern und dem europäischen Grosshandel, und der hiesige Strommarkt orientiert sich stark an seinem europäischen Pendant.
Die Strompreise auf dem internationalen Markt können stark schwanken. Timur Bürki, Abteilungsleiter Handel und Portfolio Management bei ewz, erklärt im Interview wie der Stromhandel funktioniert und was es mit dem «Handelsgut Strom» auf sich hat.
Worin unterscheidet sich Strom als Handelsgut von anderen Produkten? Was ist das Spezielle daran?
Im Prinzip ist Strom ja einfach eine Anzahl von sich frei bewegenden Elektronen in einem Netz und darum nicht so fassbar wie andere Güter. Was ihn letztlich zum Handelsprodukt macht und seinen Preis definiert, sind die Leistung, die Lieferdauer und der Lieferzeitpunkt.
Diese Punkte sind gerade darum wichtig, weil Strom nicht oder nur sehr beschränkt gespeichert werden kann, das Netz aber trotzdem jederzeit stabil und für alle verfügbar sein muss. Die Produktion und der Verbrauch von Strom stehen also in einem viel unmittelbareren Verhältnis als bei anderen Produkten. Dieser Just-in-time-Aspekt ist beim Handel mit Strom von zentraler Bedeutung.
Wie kann man sich so eine Handelstransaktion genau vorstellen?
Ein Produzent vereinbart mit seinem Kunden beispielsweise für den Folgetag eine bestimmte Quantität an Strom, die geliefert werden soll. Dabei werden der Zeitpunkt und die Dauer der Lieferung definiert und im Anschluss von beiden Seiten bestätigt. So entsteht ein Vertrag.
Zum besagten Moment speist der Stromproduzent dann die definierte Menge ins Netz ein und der Kunde bezieht diese bei sich aus dem Netz. Bei Transaktionen über die Landesgrenzen hinaus spielen zudem die beschränkt verfügbaren Grenzkapazitäten eine wichtige Rolle. Also wie viel Strom überhaupt physisch übertragen werden kann. In Auktionen werden diese vom Übertragungsnetzbetreiber zum Kauf angeboten.
Sie sprechen damit eine bilaterale Handelsform für Strom an. An der grössten europäischen Strombörse, der European Power Exchange (Epex Spot) in Paris werden andere Handelsformen angeboten. Welche Transaktionsarten gibt es sonst noch?
Zum Beispiel Day-Ahead-Auktionen. Wie der Name schon sagt, geht es hier um Stromverkäufe für den folgenden Tag. Damit können Stromerzeuger ihre Produktion für den nächsten Tag planen. Zur Absetzung von kurzfristigen Überschüssen oder zur Deckung von Engpässen gibt es daneben den Intraday-Handel, bei dem bis 30 Minuten vor der Lieferung Geschäfte getätigt werden können.
Produkte, die weiter in der Zukunft liegen, wie Monats- oder Jahresprodukte, werden jedoch auf anderen Börsen oder ‹Over-the-Counter› (OTC) über Broker-Plattformen gehandelt – man spricht hier vom sogenannten Terminhandel. Mit diesem kann beispielsweise die langfristige Basisversorgung der Kundinnen und Kunden mit Strom gesichert werden.
Was kann man sich unter dem «Over-the-Counter-Handel (OTC) für Strom» vorstellen?
Wenn Strom ausserbörslich gehandelt wird, wird er «über den Tresen» zwischen den involvierten Parteien gehandelt. Dafür gibt es spezialisierte Brokerplattformen, über die solche Transaktionen abgewickelt werden. Mehr noch als an den Börsen wird Strom in Europa derzeit noch so gehandelt.
Aber die Bedeutung der Strombörsen nimmt kontinuierlich zu. Seit 2013 gibt es seitens der EU-Kommission Bestrebungen, für den ganzen Kontinent ein einheitliches Marktgebiet zu etablieren.
Wie steht es um die Verbindungen zwischen der Schweiz und Europa beim Grosshandel mit Strom?
Der Schweizer Strommarkt ist eng mit dem europäischen verknüpft und die Entwicklungen hier verlaufen weitgehend analog. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich so ein reger Handel mit Strom über die Grenzen hinaus entwickelt und Schweizer Teilnehmende sind am europäischen Markt gut vertreten.
Wie entstand dieser Stromhandel?
Wegen ihrer geographischen Lage ist die Schweiz quasi eine natürliche Drehscheibe für Strom in Europa. So fliesst heute rund 10% des europäischen Stroms durch unser Land. Die Voraussetzung für einen grenzüberschreitenden Stromhandel in Europa wurde überhaupt erst in der Schweiz geschaffen. Mit dem «Stern von Laufenburg» wurden die Stromnetze von Deutschland, Frankreich und der Schweiz 1958 erstmals auf 220 Kilovolt Spannung zusammengeschaltet – so wurde erstmals ein europäisches Stromnetz geschaffen.
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Welche Bedeutung hat der internationale Stromhandel heute für die Schweiz?
Vor allem wegen unserer saisonalen Abhängigkeit von der Wasserkraft und der relativ geringen Grösse des Schweizer Strommarktes sind wir auf den europäischen Grosshandelsmarkt angewiesen. Dadurch wird es möglich, dass wir auch in Zukunft liquid handelbare Produkte anbieten können. Längerfristig wird dadurch die Stromproduktion und auch die Versorgungssicherheit im Land gestärkt. So produzieren wir heute im Sommer beispielsweise mehr Strom, als wir brauchen, und exportieren diesen, während wir ihn im Winter importieren müssen.
Die vergangenen Wochen sind an den internationalen Strombörsen nicht spurlos vorbeigegangen. Wie haben Sie die Situation erlebt?
Die Auswirkungen der Corona-Krise waren teilweise erheblich. Die Lockdown-Massnahmen in Europa seit Mitte März hatten einen direkten Einfluss auf den realen Verbrauch von Strom. Weil weniger Strom gebraucht wurde, gab es auf den europäischen Märkten ein Überangebot davon und die Preise sanken. Eine aktuelle, acht europäische Länder umfassende Studie geht davon aus, dass die europäischen Strompreise seit Anfang der Corona-Krise um 30 bis 40% eingebrochen sind. Wir beobachten aber bereits seit September letzten Jahres eine Preiserosion im internationalen Stromhandel.
Warum das?
Der europäische Strommarkt ist eng mit anderen Rohstoffmärkten wie dem Gas-, Kohle- oder Ölmarkt verbunden und die Entwicklungen verlaufen hier häufig recht ähnlich. Die wirtschaftliche Grossraumlage hat schon vor der Corona-Krise für Verunsicherungen gesorgt und den Rohstoffhandel geschwächt. Dafür gibt es verschiedene Gründe. So zum Beispiel den Handelskonflikt zwischen den USA und China. Auf den internationalen Stromhandel hat sich das ebenfalls entsprechend ausgewirkt.
Und wie könnte es weitergehen? Was denken Sie?
Das hängt davon ab, wie sich die aktuelle Situation entwickelt und wie stark ihre Auswirkung auf die Realwirtschaft in Zukunft sein wird. Derzeit sind die internationalen Preise für Strom extrem tief und wir erleben hier sogar negative Preise. Im Schnitt gab es das in der Vergangenheit vielleicht während rund 20 Stunden pro Jahr. Im laufenden Jahr sind es bereits 36 Stunden.
Für 2021 sieht es aber – aufgrund der Situation bei den getätigten Termingeschäften – beim eben geführten Gespräch von Mitte Mai danach aus, dass sich die Schweizer Strompreise wieder auf dem Niveau von Anfang März einpendeln könnten. Trotzdem bleibt derzeit eine grosse Unsicherheit am Strommarkt spürbar.
«Es gibt aktuell jeden Tag ein Überangebot an Strom in Europa.» Die SRF Tagesschau warf ebenfalls einen Blick in den Alltag von Timur Bürki und seinem Team.
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