Klimakiller Videokonferenz?
Im Sommer des letzten Jahres veröffentlichte der Pariser Think-Tank «The Shift Project» eine Studie über Energieverbrauch und Treibhauswirkung von digitalen Technologien. [Quelle] Weil etwa 80% des weltweiten Datenvolumens für Videos benötigt werden, wurde speziell das Streamen als klimaschädlich angeprangert – Schlagzeilen wie «Streamen klimaschädlicher als Fliegen» waren zu lesen. Und gegenwärtig sind insbesondere Videokonferenzen sehr in Mode, was mich dazu bewog, diese Aussagen zu hinterfragen.
Die Studie erfasste alle Treibhausgase, die bei der Herstellung und dem Betrieb von Computern, Fernsehern, Smartphones, Rechenzentren und der zugehörigen Infrastruktur emittiert werden. Das ist grundsätzlich richtig, nur müssen diese Emissionen dann auch wieder auf verschiedene Verursacher aufgeteilt werden: Unsere Wirtschaft benötigt diese Infrastruktur für verschiedenste Zwecke, und privat benötigen wir unsere Laptops, Fernseher und Smartphones nicht nur zum Streamen. Alle betrachteten Emissionen zusammen erreichen in Bezug auf die Treibhauswirkung zwar durchaus die Grössenordnung des Flugverkehrs, den grössten Teil den Videos anzulasten scheint trotz hohem Datenvolumen aber nicht korrekt.
Sehr grob geschätzt könnte man die Hälfte der Emissionen der öffentlichen Hand und der Wirtschaft zuordnen, also allen Dienstleistungen und Produkten, die wir so benötigen. Die andere Hälfte haben wir dann privat zu verantworten und teilen sie in zwei weitere Hälften auf: Die Konsumartikel Fernseher, Laptop und Smartphone (deren ökologischen Rucksack können wir übrigens positiv beeinflussen, indem wir die Geräte länger nutzen) und den Energieverbrauch für den Betrieb dieser Geräte, inklusive Kommunikationsinfrastruktur und Rechenzentren.
Dieser Energieverbrauch verursacht mit rund 150 kg CO2 pro Kopf und Jahr etwas mehr als 1% der üblichen Treibhausgasemission von uns Mitteleuropäern – für die gesamte private Internetnutzung, inklusive Streamen.
Und die Videokonferenz? Für ein Meeting mit vier Teilnehmern müssen vier Laptops mit rund 60 Watt versorgt werden, hinzu kommen die Verbräuche von Rechenzentren und Kommunikationsnetzwerken.
Gemäss der oben genannten Studie ergäbe das für eine Stunde einen gesamten Stromverbrauch von etwa 0,6 kWh, was in der Schweiz einer THG-Emission von etwa 0,1 kg CO2 entspricht.
Müssten vier Personen mit dem eigenen PKW beispielsweise zu einem sechs Kilometer entfernten Face-to-Face-Meeting fahren, wäre damit bereits eine Emission von 10 kg CO2 verbunden – die Videokonferenz schneidet um den Faktor 100 besser ab!