Wo liegt der richtige CO2-Preis?
Warum: Für die Klimaziele.
Die CO2-Bepreisung ist ein wirksames Instrument gegen die Klimaerwärmung. Darüber, wann die Tonne CO2 wie viel kosten soll, wird derzeit viel diskutiert – ein Automatismus in Abhängigkeit des noch verbleibenden CO2-Budgets könnte die so wichtige Planbarkeit gewährleisten.
Kurzfassung
(Hier geht’s zur ausführlichen Fassung inkl. detaillierter Berechnungen)
Stichwort CO2-Budget: Die Klimawissenschaft sagt uns recht genau, welche Emissionen noch stattfinden dürfen, um die Erwärmung zu stoppen. Um das 1,5-Grad-Ziel zu halten, dürfte das derzeitige Emissionsniveau nur noch wenige Jahre fortgeschrieben werden; um 2 Grad zu halten, hätten wir noch etwas mehr Zeit. Dabei steigt die Anzahl Naturkatastrophen mit zunehmender Erwärmung rasant an – die Devise muss lauten, die 1,5 Grad möglichst wenig, im besten Fall gar nicht zu überschreiten. Das wäre bei einer weltweiten Emission von etwa 400 Mrd. Tonnen (ab 2023 gerechnet) wenigstens mit einer 50%igen Wahrscheinlichkeit der Fall. Mehr als 800 Mrd. Tonnen dürfen es aber keinesfalls werden.
CO2-Emissionen werden vor allem dann vermieden, wenn die Vermeidung wirtschaftlich ist. Verschiedene Vermeidungsmassnahmen kosten unterschiedlich viel Geld; manche lohnen sich deshalb schon bei niedrigem CO2-Preis, andere erst bei sehr hohem. Für manche Emissionen, wie bspw. die Methanemission von Rindern, ist die technische Vermeidung derzeit nicht denkbar bzw. wäre sie mit extrem hohen Kosten verbunden. Demgegenüber stehen die «negativen Emissionen»:
- Die CO2-Entnahme – etwa durch Aufforstung – kostet ebenfalls Geld; auch hier steht eine kleine Palette an Möglichkeiten zur Auswahl, die mehr oder weniger kostspielig sind.
- Netto-Null – also Klimaneutralität – erreichen wir durch einen intelligenten Mix von Vermeidungsmassnahmen und Entnahmestrategien.
Durch diese Kombination müssen nicht alle derzeitigen Emissionen eliminiert werden.
Auf die teuersten Methoden – sowohl auf der Vermeidungs- als auch auf der Entnahmeseite kann vorläufig verzichtet werden.
Ökonomisch kann deshalb determiniert werden, welche Vermeidungsmassnahmen sinnvollerweise forciert und welche besser durch negative Emissionen kompensiert werden sollen. Nach heutiger Einschätzung liegt das ökonomische Optimum in einem sehr ungleichen Verhältnis: 85 bis 90%. Vermeidung stehen 10 bis 15% Entnahme gegenüber.
Die maximalen Kosten für jene Massnahmen, die hierfür umzusetzen sind, könnten in der Grössenordnung von CHF 500/Tonne liegen (aktuell CHF 96). Auf dieses – noch im Detail zu ermittelnde – Niveau muss der CO2-Preis letzten Endes angehoben werden. Je geringer das Budget für die noch zulässigen Emissionen, umso höher der Preis. Dieser Automatismus erlaubt es, den CO2-Preis für die kommenden Jahre – für verschiedene Szenarien – zu prognostizieren. Ein volkswirtschaftliches Muss für die Planung von Infrastrukturanlagen und Investitionsgütern!
Der ganze Fachartikel
Das Wichtigste in Kürze:
- CO2-Bepreisung: Notwendigkeit ist klar, Höhe nicht
- CO2-Bepreisung in Nachbarländern
- Wie lässt sich ein solcher Preis festlegen?
- Was macht die Preisschätzung so schwierig?
- Wie viel CO2 sollte maximal noch emittiert werden? Das ist unser CO2-Budget
- Vermeiden geht am wirksamsten über das Portemonnaie
- Was sind «negative Emissionen»?
- Wenn die Reduktion mehr kostet als die Entnahme
- Ein Automatismus wäre denkbar
- Fazit: Einigung, rasche Umsetzung und Planbarkeit sind nötig
CO2-Bepreisung: Notwendigkeit ist klar, Höhe nicht
Die CO2-Bepreisung ist das wirksamste Instrument im Kampf gegen die globale Erwärmung. Je mehr der Ausstoss von Treibhausgasen kostet, umso mehr wird er vermieden und umso schneller lohnen sich Alternativen, die sonst nicht konkurrenzfähig wären. Während diese wirtschaftlichen Zusammenhänge unbestritten sind, wird über die Höhe des CO2-Preises noch heftig diskutiert.
In der Schweiz wird derzeit eine CO2-Abgabe in der Höhe von CHF 120.-/Tonne CO2 erhoben, bis 2021 waren es 96 Franken pro Tonne CO2. Das neue CO2-Gesetz, das im vergangenen Sommer abgelehnt wurde, hätte die Obergrenze des vom Bundesrat zu verfügenden CO2-Preises auf bis zu CHF 210/Tonne angehoben.
CO2-Bepreisung in Nachbarländern
Andere Länder sind noch wesentlich weniger weit: In Deutschland wurde die CO2-Steuer erst 2021 eingeführt, und zwar mit einer Höhe von € 25/Tonne (CHF 26/Tonne). Eine stetige Steigerung des Preises ist vorgegeben; 2025 werden € 55/Tonne erreicht. Österreich plant 2022 mit der Bepreisung zu starten und orientiert sich dabei an Deutschland.
Alle, die fossile Brennstoffe wie Öl oder Erdgas zum Heizen einkaufen, bezahlen automatisch die CO2-Abgabe.
Die CO2-Abgabe beträgt ab 2022 pro Tonne 120 Franken.
Zwei Drittel der Abgabeerträge werden an Bevölkerung und Wirtschaft zurück verteilt. Ein Drittel fliesst in das Gebäudeprogramm zur Förderung CO2-wirksamer Massnahmen und 25 Mio. Franken kommen dem Technologiefonds zu gute.
Wie lässt sich ein solcher CO2-Preis festlegen?
Für die zielführende Bemessung des Preises gibt es zahlreiche wissenschaftliche Abhandlungen. In «Ökonomische Herausforderungen des Klimawandels» wird beispielsweise ein Optimum zwischen Klimaschadenskosten und CO2-Vermeidungskosten gesucht (Abbildung 1): Je grösser die globale Erwärmung, umso höher die Klimaschadenskosten; je mehr die Erwärmung eingedämmt wird, umso höher die Vermeidungskosten. Sind die beiden Kurven bekannt, lässt sich das Kostenminimum ablesen und ein CO2-Preis daraus ableiten (vertikale Linie im nachfolgenden Diagramm).
Was macht die Preisschätzung so schwierig?
Ein Problem dabei ist, dass die Schadenskosten ab einem gewissen Punkt nicht mehr der exponentiellen Kurve folgen: Je wärmer es wird, umso mehr drohen die «Kipppunkte» eine Eigendynamik zu erzeugen, die es verunmöglichen, den weiteren Temperaturanstieg noch aufzuhalten.
Kurz gesagt: Wenn die menschliche Zivilisation in ihrer Existenz gefährdet ist, können die Kosten des Klimawandels nicht mehr beziffert werden. Das IPCC drängt deshalb darauf, die globale Erwärmung unbedingt in jenen Grenzen zu halten, die das Eintreten der Kipppunkte wahrscheinlich noch unterbinden: besser bei 1,5 als bei 2 Grad.
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Wie viel CO2 sollte maximal noch emittiert werden? Das ist unser CO2-Budget:
Im Sechsten Sachstandsbericht des IPCC wurden die zugehörigen «Budgets» publiziert: Wie viel CO2 darf beispielsweise noch emittiert werden, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten? Dabei wird auch hier mit Wahrscheinlichkeiten agiert, weil die Prognosen niemals exakt, sondern immer nur in Bandbreiten erstellt werden können.
Um das 1,5-Grad-Ziel sehr wahrscheinlich (83%) zu halten, dürften noch 300 Mrd. Tonnen CO2 emittiert werden. Der Wert bezieht sich allerdings auf die Zeit ab 2020; bis Ende 2022 werden weitere 100 Mrd. Tonnen emittiert worden sein. Es blieben also nur noch 200. Tabelle 1 zeigt einige Budgets in Abhängigkeit von Temperatur und Wahrscheinlichkeit des Eintretens.
Mit anderen Worten: Das Ziel muss lauten, die Emissionen ab 2023 auf 400 Mrd. Tonnen CO2 zu limitieren, mehr als 800 Mrd. Tonnen dürfen es keinesfalls werden.
Vermeiden geht am wirksamsten über das Portemonnaie
Die Vermeidung von Emissionen kann über den CO2-Preis gesteuert werden: Übersteigt der Preis die Kosten für die Vermeidung, ist es wirtschaftlich, die Vermeidung zu wählen. Je nachdem, welche Emissionen mit welchen Massnahmen vermieden werden sollen, nehmen diese Vermeidungskosten aber sehr unterschiedliche Grössen ein.
Darüber hinaus führen technologische Entwicklungen auch zu ständigen Veränderungen dieser Kosten. War es beispielsweise vor 20 Jahren noch unwirtschaftlich, elektrische Energie mit Photovoltaikmodulen zu erzeugen, hat die rasante Entwicklung mittlerweile dazu geführt, dass Solarenergie nun sogar die billigste Form der elektrischen Energie ist.
Energie aus einem fossil befeuerten Dampfkraftwerk durch Solarenergie zu ersetzen verursacht deshalb «negative» Vermeidungskosten – es lohnt sich, CO2 zu reduzieren. Gleich verhält es sich auch schon bei der Elektromobilität. Wer elektrisch fährt, vermeidet im Durchschnitt jährlich 1 bis 2 Tonnen CO2 und erspart sich gleichzeitig einige hundert Franken. Die höheren Investitionskosten sind dabei berücksichtigt.
In der Abbildung 2 sind die Reduktionspotenziale und die damit verbundenen Kosten einiger ausgewählter Massnahmen dargestellt. Die einzelnen Werte basieren auf einer Vielzahl von Annahmen und können stark variieren – so spielt es etwa eine grosse Rolle, ob für eine bestimmte Technologie die heutigen Kosten oder die erwarteten Kosten für das Umsetzungsjahr herangezogen werden. Der prinzipielle Verlauf ist aber immer derselbe, siehe Abbildung 3:
Ein grosser Teil der Emissionen kann bereits ohne CO2-Bepreisung gewinnbringend reduziert werden, für andere sind Kosten zu berücksichtigen, die entweder schon unter oder bereits über dem geltenden CO2-Preis liegen. Je mehr man sich der «Null» annähert, umso teurer werden die Massnahmen.
Was sind «negative Emissionen»?
An dieser Stelle kommen die negativen Emissionen ins Spiel: Es wird weder ökonomisch darstellbar noch in der Praxis möglich sein, sämtliche menschengemachten Emissionen zu vermeiden. Negative Emissionen – also die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre – sind ebenfalls mit Kosten verbunden, aber mit geringeren als die Vermeidungskosten der letzten 10 bis 20%. Die Potenziale der einzelnen Technologien sind ebenfalls beschränkt; die verwendeten Werte basieren auf einer Publikation des MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change).
Wenn die Reduktion mehr kostet als die Entnahme
Die Aufforstung von Wäldern ist mit geringen Kosten verbunden, die Produktion von Biokohle mit etwas höheren – je mehr Technologie die Lösung benötigt, umso teurer wird es (BECCS = Bio Energy Carbon Capture ans Storage, DAC = Direct Air Capture). Abbildung 4 zeigt exemplarisch den Zusammenhang – Vermeidungsmassnahmen, die zu einer Reduktion auf unter 2,5 Tonnen CO2 pro Person und Jahr führen, kosten in diesem Beispiel mehr als die Entnahme von rund 2,5 Tonnen CO2.
Aus volkswirtschaftlicher Sicht dient der Schnittpunkt der beiden Verläufe als Orientierung, welcher maximale CO2-Preis letzten Endes erforderlich ist, um Netto-Null zu erreichen – im skizzierten Beispiel also rund € 500/Tonne. Abhängig von der technologischen Entwicklung, aber auch vom erreichbaren Beitrag der Suffizienz, könnte der Betrag in dieser Grössenordnung oder auch darunter liegen. (Insbesondere die Emissionen aus der Luftfahrt und der Landwirtschaft lassen sich technisch nur sehr teuer oder gar nicht vermeiden, weshalb gerade in diesen Bereichen das Verhalten einen grossen Effekt hat.)
Ein Automatismus wäre denkbar
Diese Zusammenhänge vorausgesetzt, ist es nicht mehr schwierig, einen Automatismus für den CO2-Preis zu ermitteln. Der Preis muss letzten Endes auf das ermittelte Maximum ansteigen, um Netto-Null respektive Klimaneutralität zu erreichen. Je weniger CO2-Budget noch zur Verfügung steht, umso grösser wird der Preis.
In einem hierfür erstellten Simulationstool wird unter anderem berücksichtigt, dass die Umsetzung einer Massnahme nicht zur Gänze in dem Jahr erfolgt, wo der CO2-Preis erstmals die Kosten übersteigt: Unter Beachtung von Investitionszyklen wird für das nachfolgende Beispiel eine mittlere Umsetzungsdauer von 10 Jahren angesetzt.
Weiter wird die Einhaltung der 1,5 Grad mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% angestrebt. Obwohl die Emissionen von Anfang an schnell sinken – weil ein wesentlicher Teil der Massnahmen bereits heute wirtschaftlich ist – verringert sich das Restbudget rasant. Dementsprechend schnell steigt der Preis auf fast € 400/Tonne im Jahr 2030 an.
Soll das Budget für 1,7 Grad Erwärmung mit 50% Wahrscheinlichkeit herangezogen werden, und können darüber hinaus die maximalen Vermeidungs- bzw. Entnahmekosten (technologisch und/oder gesellschaftlich) auf €400/Tonne begrenzt werden, verändert sich das Bild relevant:
Fazit: Einigung, rasche Umsetzung und Planbarkeit sind nötig
Für die volkswirtschaftliche Entwicklung ist eine langfristige Perspektive von grosser Bedeutung: Wenn bekannt ist, wo der CO2-Preis in 10 bis 15 Jahren liegen wird, ist eine viel bessere Planbarkeit von Investitionen gegeben – Fehlinvestitionen und Wertverlust infolge schnell veränderter Rahmenbedingungen werden damit vermieden.
Ein langfristiger Korridor des CO2-Preises sollte möglichst rasch festgelegt werden. Idealerweise global, aber auch national unterschiedliche Perspektiven helfen der jeweils eigenen Wirtschaft.
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