Wasserkraft und Moorschutz im Einklang
Im November 2022 ist es endlich so weit. Die umfangreichen Arbeiten auf der Alp Flix zur sogenannten Restwassersanierung sind abgeschlossen. Die Bagger, Raupen- und Baufahrzeuge, die hier oben neue Bachbette gebaut und alte Gräben zugeschüttet haben, rollen – fast wie bei einem Alpabzug – talwärts in Richtung Savognin. Auf dem malerischen Hochplateau auf 2’000 Metern über Meer kehrt wieder Ruhe ein. Aber nicht nur das: Auch die Zukunft der geschützten Moorlandschaft ist dank diesen baulichen Massnahmen gesichert.
Konfliktreiche Restwassersanierungen
Es ist der Schlusspunkt und das Happy End der sogenannten Restwassersanierungen für die ewz-Wasserkraftwerke Mittelbünden, die der Kanton Graubünden im Rahmen des Gewässerschutzgesetzes im Dezember 2016 verfügt hat.
Dieses verlangt die Sanierung von Gewässern, die durch die Stromproduktion in Kraftwerken wesentlich beeinflusst werden. Eine heikle Angelegenheit, denn der Interessenkonflikt zwischen Energiegewinnung und Naturschutz ist oft gross und das Gesetz ist schwammig formuliert.
Kein Zufall also, dass die Restwassersanierung in vielen Kantonen nur sehr schleppend vorankommt und immer mal wieder vor Bundesgericht endet. Nicht so in Mittelbünden, wo eine gütliche Lösung gefunden wurde. Wie war das möglich?
Restwasser abgeben und
gleichzeitig einen möglichst
grossen ökologischen Nutzen
erzielen.»
ewz von Anfang an lösungsorientiert
«Wir haben uns von Anfang an um eine Lösung bemüht, statt Maximalforderungen zu stellen», erzählt ewz-Projektleiter Thomas Ziegler. Der Bauingenieur sass 2014 mit am runden Tisch, als erstmals mit den Vertreter*innen des Kantons, der Konzessionsgemeinden sowie den Fischerei- und Umweltverbänden nach einer Lösung gesucht wurde.
«Unser Standpunkt war dabei immer klar: Wir wollten möglichst wenig Restwasser abgeben und gleichzeitig einen möglichst grossen ökologischen Nutzen erzielen.» Doch wie sollte das gehen? Der runde Tisch verwarf verschiedene Ideen. Bis einer der Beteiligten die zündende Idee hatte.
Gefährdete Moorlandschaft – das Sorgenkind Alp Flix
Josef Hartmannkennt die Landschaft Graubündens wie kaum ein Zweiter. Fast dreissig Jahre lang hat sich der studierte Biologe im kantonalen Amt für Natur und Umwelt für den Naturschutz eingesetzt.
Zu seinen Sorgenkindern gehörte auch die Moorlandschaft auf der Alp Flix. Das Problem: Wegen eines tiefen Grabens und der Drainagen, die die Bauern über Jahrhunderte gelegt hatten, trockneten die Moore allmählich aus.
«Ich habe jahrzehntelang über eine Lösung nachgedacht», sagt Josef Hartmann, «und als wir am runden Tisch über die Restwassersanierungen diskutierten, sah ich sie plötzlich vor mir.»
Die geniale Idee: Mooraufwertung statt Restwasser
Sein kreativer Vorschlag war ein «Tauschhandel»: Statt einfach Restwasser abzugeben und damit auch weniger erneuerbaren Strom zu produzieren, könnte ewz die aufwendige und technisch anspruchsvolle Aufwertung der gefährdeten Moorlandschaft auf der Alp Flix finanzieren.
Durch die Wiederherstellung der ursprünglichen Bachläufe und die Erstellung eines neuen Bachbettes in der Ebene San Roc – so war er überzeugt – liesse sich der Wasserhaushalt der Flachmoore und somit auch die Lebensbedingungen für die seltene Flora und Fauna verbessern.
auf der Alp Flix präsentierten,
wurden wir fast mit Heugabeln
verjagt.»
Als alles klar schien, wurde es erst richtig kompliziert
Hartmanns Vorschlag überzeugte den runden Tisch und damit stand 2015 fest: Das Hauptaugenmerk der ewz-Restwassersanierungen wird auf eine hohe Restwassermenge in der Julia gelegt und auf die Aufwertung der Moorlandschaft Alp Flix.
Alles schien geklärt – doch dann wurde es kompliziert. Und ungemütlich. «Denn als wir unser Projekt den Bauern auf der Alp Flix präsentierten, wurden wir fast mit den Heugabeln verjagt», sagt ewz-Projektleiter Thomas Ziegler mit einem Lächeln.
Die Angst der Bauern vor zu viel Wasser
«Ja, ja, die Stimmung war ziemlich aufgeheizt», erinnert sich auch Alfons Cotti,
«denn für uns war klar: Dieses Projekt hat keine Chance und wir werden uns mit allen Mitteln dagegen wehren.»
Cotti ist einer von elf Bauern, die die Alp Flix bewirtschaften. Im Sommer weiden dort seine 250 Milchschafe, daneben betreibt er ein Pferdetrekking für die Tourist*innen.
«Wir hatten Angst, dass man das Moor so stark vernässt, dass es künftig nicht mehr befahrbar ist und keine Bewirtschaftung mehr möglich ist.»
Einigung statt Abbruch der Gespräche
Statt die Gespräche abzubrechen, stellte sich ewz den Sorgen der Bauern und kam ihnen ein Stück weit entgegen. «ewz hat uns ernst genommen, unsere Argumente wurden gehört und das Projekt wurde dementsprechend angepasst», sagt Alfons Cotti.
Dies habe schliesslich zum Meinungsumschwung geführt und heute seien fast alle Bauern von dieser Lösung begeistert. «Dank den baulichen Massnahmen wird das Moor viel gleichmässiger bewässert und bei Hochwasser ‹versauft› man auch nicht mehr darin», so Cotti, und er fügt an: «Dieses Projekt ist hervorragend, denn es ist eine Aufwertung für die Landwirtschaft – aber auch für die Natur.»
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Freude herrscht über diese nachhaltige Restwassersanierung – auch bei Pro Natura Graubünden
Sehr erfreut ist man auch weiter unten in Chur, bei Pro Natura Graubünden. «Moorflächen gehören zu den wertvollsten Flächen der Schweiz», sagt Geschäftsführer Armando Lenz, «sie nehmen nur 0,5 Prozent der Landesfläche ein, aber hier leben 50 Prozent aller geschützten und gefährdeten Pflanzen.»
Doch den Mooren gehe es schlecht. Infolge Drainagen und der Klimaerwärmung drohten sie zunehmend auszutrocknen. «Moorrevitalisierungen sind extrem anspruchsvoll und selten. Umso erfreulicher ist es, dass dies auf der Alp Flix gelungen ist.» Dies sei ein Segen, sagt Armando Lenz, «nicht nur für die Ökologie, sondern auch für die enorme Artenvielfalt auf der Alp Flix».
Die «Schatzinsel» Alp Flix: Paradies der Artenvielfalt
Tatsächlich: Forscher haben festgestellt, dass die Artenvielfalt auf diesem einzigartigen Hochplateau so überwältigend ist, dass sie seither auch den Übernamen «Schatzinsel» trägt.
Bei einer Untersuchung wurden hier auf einer Fläche von sechs Quadratkilometern innerhalb eines Tages 2’092 Arten gefunden – von Algenarten über Flechtenarten bis zu Insekten und Säugetieren. Sie alle können etwas aufatmen, denn ihr Lebensraum bleibt auch künftig erhalten.
Zwar nimmt die Biodiversität in der Schweiz überall ab, aber wenigstens ihr Lebensraum bleibt langfristig erhalten.
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Eine gute Nachricht für die heimische Wasserkraft
Neun lange Jahre sind vergangen vom ersten Gespräch über die Restwassersanierung bis zum Abschluss der Bauarbeiten. «Es brauchte viel Geduld und gute Nerven», sagt Thomas Ziegler.
Es verlangte von ewz eine grosse Kompromiss- und Zahlungsbereitschaft, allein die Revitalisierungsmassnahmen auf der Alp Flix kosteten rund 750’000 Franken. Aber diese Geschichte zeigt: Es funktioniert.
Die Nutzung von Wasserkraft und der Umweltschutz lassen sich in Einklang bringen. Eine gute Nachricht angesichts der drohenden Stromknappheit (siehe Fragen und Antworten von ewz dazu), in der die heimische Wasserkraft vielleicht wichtiger ist denn je.
ewz investiert enorm in die heimische Wasserkraft und versorgt seine Kund*innen mit 60% erneuerbarer Energie aus Schweizer Wasserkraft.
Möchten Sie ein Wasserkraftwerk besichtigen und die Energieproduktion miterleben? Wir freuen uns auf Ihren Besuch.