Kreislaufwirtschaft:
ein attraktives Geschäftsmodell
Was haben Hochdruckreiniger, Bohrmaschine und Festbank gemeinsam? Auf den ersten Blick lässt sich diese Frage nur schwer beantworten. Auf den zweiten könnte man darauf kommen. All diese Produkte werden im täglichen Leben eher selten gebraucht und gehören nicht zur Standardausstattung eines Schweizer Haushaltes. Aber die Chance ist trotzdem recht gross, dass man sie irgendwann einmal benötigt.
(Ver-)mieten statt (Ver-)kaufen liegt im Trend
Auf Sharely zählen die genannten Produkte zu den Top Ten unter tausenden, die über die Zürcher Miet- und Vermietplattform online vermittelt werden. Alltagsgegenstände zu mieten, liegt zurzeit im Trend. Gerade auch weil die Idee nachhaltig ist. So nimmt das Unternehmen als eines von sechs am Prototyp-Programm von Circular Economy Transition teil. Ziel des Programms ist es, Start-ups der ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft stärker in den Markt zu integrieren. Unterstützt wird die Idee unter anderen von Impact Hub, dem WWF, ewz und weiteren Partnern.
Alternative Geschäftsmodelle als Wegbereiter für die Kreislaufwirtschaft
Geschäftsmodelle, die es ermöglichen, Produkte während ihrer Lebenszeit länger und effizienter zu nutzen, sind aus kreislaufwirtschaftlicher Perspektive sehr vielversprechend. Damit lassen sich Rohstoffe längerfristig schonen und Ressourcen länger nutzen. Gerade auch für die Hersteller kann es interessant sein, ihre Produkte bereits von Anfang an so auszulegen, dass ihnen ein längeres Leben beschieden ist. «Damit sich das lohnt, braucht es hier das passende Geschäftsmodell dazu», weiss Raphael Fasko.
Fasko, Mitautor von zwei Studien zu solchen Geschäftsmodellen zählt derzeit zu den bekanntesten Experten in der Schweiz zu diesem Thema. «Für die Weiterverbreitung der Kreislaufwirtschaft an sich werden gerade solche Modelle ein zentraler Schlüssel sein.»
«Zu den kreislaufwirtschaftlichen Geschäftsmodellen zählen wir Miet- und Dienstleistungsmodelle. Gemein ist ihnen, dass sie diejenigen Teile der Wertschöpfungskette integrieren, bei denen die Mehrwerte aus dem kreislaufwirtschaftlichen Design anfallen. Die Grenzen zwischen den einzelnen Modellen können dabei fliessen ausfallen.»
Neue Perspektiven erfordern neue Denkhaltungen
Kreislaufwirtschaftliche Geschäftsmodelle bedingen allerdings eine teilweise Abkehr von den seit Jahrhunderten betriebenen Verkaufsgeschäftsmodellen und den damit verbundenen Vorstellungen von Besitz.
Seit der industriellen Revolution ist das weltweite Wirtschaftssystem auf den Verkauf von Produkten ausgelegt, die aus günstigen und scheinbar unerschöpflichen Rohstoffquellen gefertigt werden. Ein Charakteristikum solcher linearen Geschäftsmodelle ist die Tatsache, dass die Produkte durch ihren Verkauf den Besitzer wechseln. Das mag erstmal banal klingen, hat aber fundamentale und weitreichende Konsequenzen. Denn langlebige, modulare und rezyklierbare Produkte herzustellen, wird dadurch für viele Unternehmen tendenziell unattraktiv. Sie können weniger Folgeprodukte verkaufen und haben von der Reparatur respektive vom späteren Recycling der verkauften Güter keinen oder kaum direkten Nutzen.
Zugang zum Produkt auf Zeit
Anders als bei den linearen Modellen bleiben die Hersteller von Produkten in kreislaufwirtschaftlichen Geschäftsmodellen weiterhin deren Eigentümer. Sie ermöglichen ihren Kundinnen und Kunden den Zugang zu diesen in unterschiedlichen Formen und für eine gewisse Zeit. Für den Produzenten entsteht damit ein stärkerer ökonomischer Anreiz, überhaupt erst kreislauffähige Produkte herzustellen. «Er kann dadurch finanziell länger von seinem Produkt profitieren als bei einem ’normalen› Verkauf mit dem damit verbundenen Besitzerwechsel», so Fasko.
Bessere Kundenbindung
«Kreislaufwirtschaftliche Geschäftsmodelle bieten zudem auch verschiedene weitere Vorteile. Dank ihnen können beispielsweise langfristige Geschäftsbeziehung zu Kundinnen und Kunden aufgebaut werden. Und weil der Hersteller den Rohstoff weiter in seinem Besitz behält, macht ihn das unabhängiger gegenüber steigenden Rohstoffpreisen.
Auch profitiert er bei einem späteren Recycling der Produkte direkt davon, dass er Besitzer seines Produktes geblieben ist.» Es braucht ein Umdenken, wenn Teilen, Vermieten und Leasen als nachhaltige Alternative zum gängigen Verkaufen funktionieren soll. Aber gerade diese vielversprechenden Ideen finden heute bei immer mehr Unternehmen Gefallen.
Gute Beispiele: Vom Leasingteppich bis zum Energie-Contracting
Eines der bekanntesten Beispiele ist das niederländische Unternehmen Desso. Es vermietet Teppichböden. Bereits von Anfang an sind die in den Teppichen enthaltenen Rohstoffe kreislauffähig und auf ein späteres Recycling ausgelegt. Für die Dauer von fünf bis sieben Jahren vermietet Desso die Läufer und bleibt während dieser Zeit somit deren Eigentümer. Danach gehen die Teppiche wieder ans Unternehmen zurück und aus den daran gewonnenen Rohstoffen werden neue gefertigt.
Auch für ein kreislaufwirtschaftliches Mietmodell hat sich das Zürcher Unternehmen Miniloop entschieden und bietet damit eine Lösung für eine Herausforderung, die viele Eltern kennen. In Abo-Boxen vermietet es ökologisch produzierte Babykleider für das passende Lebensalter. Durch die Miete bezahlt man nur den aktuellen Nutzen an der Kleidung. Entwachsen die Sprösslinge dieser kann man sie retournieren und die nächste Grösse ordern. Die getragenen Kleider werden anschliessend aufbereitet und stehen erneut zur Miete bereit.
Ein Übergangsbeispiel zwischen kreislaufwirtschaftlichem Mietmodell und Dienstleistungsmodell ist der Instant Ink des amerikanischen Herstellers Hewlett-Packard (HP). Damit spare der Kunde bis zu 70 Prozent an Tinte ein. Kern der Geschäftsidee ist es, dass der Kunde für die Anzahl der ausgedruckten Seiten bezahlt und nicht für die Patrone selbst. Letztere bleibt denn auch im Besitz von HP. Der Kunde kann aus fünf verschiedenen Tarifen wählen, abhängig davon, wie viele Seiten er im Monat auszudrucken gedenkt. Sobald die Druckerpatrone leer ist, meldet dies der Drucker an HP und der Kunde bekommt eine neue Patrone nach Hause geliefert. Die alte wird rezykliert.
Aber auch reine Dienstleistungsgeschäftsmodelle haben das Potenzial die Kreislaufwirtschaft zu fördern. Ein denkbares Beispiel dafür ist das Energie-Contracting. Dabei finanziert und betreibt ein Unternehmen eine entsprechende Anlage in einer Liegenschaft und wird dafür finanziell entschädigt. Es liefert seiner Kundschaft also Strom, Wärme, Kälte oder Prozessenergie und wird damit zum Energiedienstleister. Dadurch, dass das Unternehmen Eigentümer der erstellten Anlage bleibt, hat es ein starkes Interesse daran, schon beim Bau effiziente, energiesparende und langlebige Techniken einzusetzen.
Kreislaufwirtschaft macht unabhängig
Gerade in Kombination mit der Nutzung erneuerbarer Energien macht das aus kreislaufwirtschaftlicher Sicht besonders Sinn. Dadurch wird nicht nur ein wichtiger Beitrag an den Klimaschutz geleistet, sondern auch die Unabhängigkeit von fossilen Energien und deren ungewissen Preisentwicklungen langfristig gestärkt. So können beispielsweise die Liegenschaftseigentümer von Greencity bei ewz bereits heute die gewünschte Energiemenge, die Leistung und die Temperaturen für ihre Liegenschaften «bestellen» und auch festlegen, wie hoch der Anteil davon CO-2-frei sein soll.
«Erste Anbieter in der Branche sind zudem bereits heute daran interessiert, ihre Anlagen so zu gestalten und weiterzuentwickeln, dass mit ihnen auch zukünftige Nutzungen möglich werden», so Fasko. Damit wären weitere wichtige Schritte hin zu einer Kreislaufwirtschaft geleistet.
Günstige Rohstoffe behindern das Umdenken
Zirkuläre Produkte sind eng mit den dazugehörigen Geschäftsmodellen verbunden. Erst durch diese können sie unternehmerisch erfolgreich am Markt platziert werden. Mit der damit verbundenen Abkehr vom linearen Verkaufsmodell tut man sich heute aber oft noch schwer. «Die ökonomischen Chancen von Kreislaufdesign und den in diese Richtung angepassten Geschäftsmodellen werden in der Wirtschaft derzeit oft noch zu wenig verstanden», sagt Fasko.
«Ein anderer Grund ist die Tatsache, dass Rohstoffe und Ressourcen heute vielfach noch sehr günstig sind und es sich für Unternehmen darum scheinbar nicht lohnt, verstärkt in kreislauforientiertes Design zu investieren und damit nachhaltigere Produkte herzustellen.» Gerade das dürften die Hauptgründe dafür sein, dass man hier noch am Anfang eines längeren Weges steht.
Zwei Ausnahmen: Eine Sparte wo das Recycling von Rohstoffen bereits sehr gut funktioniert, ist bei der Elektronik. In der Schweiz ist es bequem und kostenlos, wenn man seinen Elektroschrott entsorgen möchte. Oder dass man Dinge reparieren statt wegwerfen kann, ist den unzähligen Repair Cafés in der Schweiz zu verdanken und das Flickenlassen ist erst noch gratis.
Wettbewerbsfähigkeit stärken
Allerdings tut sich hier momentan sehr viel und jeder Tag bringt neue Geschäftsideen und -modelle, die die Kreislaufwirtschaft vorantreiben, wie beispielsweise auch Designerinnen beweisen, die Kreislauffähige Produkte herstellen. Ob das alles reicht, ist noch offen. Eine Unterstützung der Entwicklung könnte der Einbezug von kreislaufwirtschaftlichen Kriterien bei öffentlichen Beschaffungen darstellen. Dadurch würden neue Impulse für die Kreislaufwirtschaft und ihre Geschäftsmodelle gesetzt werden.
Gleichzeitig bräuchte es dann aber auch neue rechtliche Anpassungen in den Bereichen Haftung und Besitz, die solche Ansätze abdecken und hier Rechtssicherheit schaffen. So besteht beispielsweise heute bei Miet- und Leasingmodellen noch die Gefahr eines Besitzverlustes im Konkursfall des Mieters.
Grundsätzlich aber muss sich kreislaufwirtschaftlich orientiertes Produzieren aus unternehmerischer Perspektive noch stärker lohnen. Erst dadurch wird es gegenüber den «gängigen», linearen Produktionsweisen noch mehr wettbewerbsfähig. Dank neuer Geschäftsmodelle kann dies möglich werden.